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Klima Klima Klima – Mind the Gap

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  • Beitrag zuletzt geändert am:21. Oktober 2023

Unser Geist ist die Lösung!

In diesem Beitrag richtet sich der Blick auf das Phänomen, warum wir Menschen sehenden Auges seit Jahrzehnten auf die lebensbedrohlichen Folgen des menschengemachten Klimawandels zu rauschen und mutmaßlich nicht in der Lage sind, die nötigen Schlüsse zu ziehen und in Lösungen zur Erhaltung unserer planetaren Lebensgrundlagen umzusetzen.

Die Medien berichten spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen 2015, Fridays For Future 2018 sowie der aktuellen klimabedingten Wetterextreme, Hitzewellen und Dürren über dieses globale Thema, das die Lebensbedingungen aller Menschen zukünftig mehr oder weniger direkt betreffen wird. Die anhaltende mediale Information über den Klimawandel wird zunehmend zum Alltagsszenario gezählt und, sofern wir Menschen (im globalen Norden) die Folgen nicht direkt erleben, als gegeben „ist halt so“ eingepreist oder gar als „Alarmismus“ abgetan. Zu global, zu abstrakt, unfassbar die Nachrichten und Prognosen für die Breite der Gesellschaften. Noch!

Macht es Sinn, sich mit dem Thema Klima reflektiv auseinanderzusetzen? Es gibt viele Menschen, die sagen: „JA“! Vor allem die Wissenschaft …

Wie in allen Hallo Geist Beiträgen wird es um die mentale Perspektive des Themas Klima gehen, denn alles menschliche Erleben und Tun, ist mental geleitet. In diesem Sinne darf man auch die Frage stellen, sind wir uns dessen bewusst? Und, wenn wir uns dessen bewusst sind, was heißt das in der Konsequenz? Und, könnte diese Konsequenz bedeuten, wir benötigen Mentale Bildung und darüber die Entwicklung einer mentalen Kultur, die uns befähigt, den nötigen und rechtzeitigen Realitätsbezug zum Thema Klima herzustellen, unsere tiefen konditionalen (geprägten) Einstellungen und Lebenskonzepte, unsere Motivations-, Denk- und Verhaltensmuster (Mindset) sowie ökologischen, sozialen, ökonomischen Modelle und politischen Systeme zu reflektieren und an die Bedingungen des Klimawandels schnellstmöglich so anzupassen, dass wir für unsere positive planetare Zukunft lösungs- und handlungsfähig sind?

Wie wollen und wie können wir Herausforderungen dieser Tragweite begegnen, wenn wir uns nicht mit dem Kern möglicher Lösungen beschäftigen? Der Kern ist nun einmal unser Geist: Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Handeln. Darin liegt der Ausgangspunkt für jede Lösung. Woher soll sie sonst kommen?

Wie wir Freiheit neu denken können

https://www.ardaudiothek.de/episode/nachtstudio/die-nachtstudio-diskussion-wie-wir-freiheit-neu-denken-koennen/bayern-2/94556504/

Frei zu sein – das heißt in unserer Kultur seit Jahrzehnten, so ziemlich alles unbeschränkt machen zu können. Reisen in fast jedes Land der Erde, dauerhaft wohnen und leben in allen EU-Ländern. Der Konsum von Gütern und Dienstleistungen kennt ebenfalls nur die Grenzen des eigenen Geldbeutels. Ansonsten gilt: Freiheit manifestiert sich in der Verfügung über Dinge und Eigentum, im Spielraum, den kein anderer stört. Doch die vergangenen Jahre mit ihren Dürren, Hitzewellen und katastrophalen Überschwemmungen mitten in Deutschland haben gezeigt: Diese Form der Freiheit ist in Gefahr – und gefährlich. Die Nachtstudio-Diskussion. Bayern 2

Fakt

Es geht nicht mehr um die Frage des faktischen Einflusses menschlichen Tuns und der darin liegenden CO2 Emission im Klimawandel. Dies ist wissenschaftlich vielschichtig belegt und diskutiert. Schon in den 70iger Jahren wurde das Thema wissenschaftlich ermittelt und in der Öffentlichkeit kommuniziert.

„Die Folgen sind einschneidend“

Prognose zum Klimawandel von 1978, Hoimar von Ditfurth in der Sendung „Querschnitt“ im ZDF.

https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/hoimar-von-ditfurth-querschnitt-1978-ueber-co2-und-klimawandel-100.html

Intergovernmental Panel on Climate Change

„Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), deutsch Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (oft als Weltklimarat bezeichnet), wurde im November 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als zwischenstaatliche Institution ins Leben gerufen, um für politische Entscheidungsträger den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen mit dem Ziel, Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu bieten, ohne dabei Handlungsempfehlungen zu geben. Der Sitz des IPCC-Sekretariats befindet sich in Genf (Schweiz), 195 Regierungen sind Mitglieder des IPCC, darüber hinaus sind mehr als 120 Organisationen als Beobachter des IPCC registriert.

Hauptaufgabe des Ausschusses ist es, die naturwissenschaftlichen Grundlagen und den weltweiten Forschungsstand über die Auswirkungen der Globalen Erwärmung und seine Risiken sowie Minderungs- und Anpassungsstrategien zusammenzutragen und aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten. Dazu beruft der IPCC tausende Wissenschaftler aus aller Welt. Diese erstellen die Sachstandsberichte des IPCC. Bisher hat der IPCC sechs Sachstandsberichte und mehr als zehn Sonderberichte sowie Richtlinien für die Erstellung von Treibhausgasinventaren veröffentlicht.“

Wikipedia 2023

https://de.wikipedia.org/wiki/Intergovernmental_Panel_on_Climate_Change

Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC

„Der Sechste Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC liegt nun vollständig vor. Demnach ist es nach wie vor möglich, die globale Erwärmung auf 1,5°C bis 2100 zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig.“

Umweltbundesamt 13. Mai 2022

https://www.umweltbundesamt.de/themen/ipcc-bericht-sofortige-globale-trendwende-noetig

Studie: Klimaforscher warnen vor Endzeit-Szenarien

„Der Klimawandel könnte nach Ansicht von Experten im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen. Bisher wisse man zu wenig über solche Endzeit-Szenarien und deren Wahrscheinlichkeit, schreibt ein internationales Team in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“).

Unter der Überschrift „Klima-Endspiel: Erforschung katastrophaler Szenarien des Klimawandels“ plädieren die Autoren für ein umsichtigeres Risikomanagement und mehr Forschung zu den schlimmstmöglichen Folgen der Erderwärmung. Die Welt müsse anfangen, sich auch auf Endzeit-Szenarien durch den Klimawandel vorzubereiten.“

ZDF 02.08.2022

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/klimawandel-menschheit-bedrohung-100.html

Verhalten

Es geht um die Frage, wie verhalten wir Menschen uns im Klimawandel. Denn letztlich ist es unser Verhalten, das in der physischen Welt zur Wirkung kommt. Gleichzeitig resultiert unser Verhalten aus dem geistigen Prozess. Womit wir beim Thema sind, was bestimmt unser Verhalten?

Im Alltagsverständnis gehen wir davon aus, dass wir unsere Lebenssituationen und –bedingungen real wahrnehmen, diese objektiv einschätzen und uns dazu optimal verhalten. Zu Themen, die nicht direkt in unserer realen Wahrnehmung liegen sowie zu komplexen und globalen Ereignissen, die wir in unserem individuellen Lebenskontext nicht oder nicht umfassend überblicken, nehmen wir Informationen aus unserem sozialen Umfeld und von Medien auf. Dabei haben wir das Gefühl, dass wir sehr wohl unterscheiden können, welche Informationen welche existenzielle Dimension und welchen Wahrheitsgehalt haben. Wir bilden uns auf Basis unserer direkten Wahrnehmung und Informationen, die wir aufnehmen, eine Meinung, entsprechend derer wir handeln und der wir meist unbewusst und unreflektiert Richtigkeit zuschreiben.

Blicken wir auf unser Verhalten im faktischen Klimawandel, von dem wir seit den 70iger Jahren wissen und zu dem wir uns jederzeit informieren können, sollte uns die Idee kommen: Irgendwie scheint da was nicht optimal zusammenzupassen. Das heißt, in der industrialisierten Welt wissen wir seit Jahrzehnten über den Klimawandel und seine Folgen durch die Erderwärmung Bescheid, verhalten uns aber so, dass die CO2 Emissionen weiter ansteigen, statt sich zu reduzieren. Zumindest galt dies in der Vergangenheit. Der Idee, da passt etwas nicht zusammen, sollten sich vor allem die Individuen und Gesellschaften stellen, die hohe CO2 Emissionen zu verantworten haben, in der Vergangenheit, Jetzt und in der Zukunft.

Superreiche Klimasünder – Wie Ungleichheit die Klimakrise verschärft

https://www.ardaudiothek.de/episode/zeitfragen-feature-deutschlandfunk-kultur/superreiche-klimasuender-wie-ungleichheit-die-klimakrise-verschaerft/deutschlandfunk-kultur/12625097/

„Das reichste Prozent der Deutschen emittiert pro Kopf durchschnittlich 200 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr, mehr als zwanzigmal so viel wie der Durchschnitt der unteren 50 Prozent. Wie ist das zu erklären? Und was bedeutet das für den Klimaschutz?“ Deutschlandfunk Kultur

Reiche haben in der Regel einen höheren CO2 Anteil, das heißt aber nicht, dass weniger Reiche ein höheres Bewusstsein zu ihrer CO2 Emission und zu ihrer Verantwortung für Klimaschutz haben. Natürlich ist auch klar, dass finanzielle Mittel für CO2 Neutralität eingesetzt werden können, sollen und müssen. Arme haben diese Option meist nicht, wenn, dann häufig nicht wirksam genug. Deshalb kommt den Reichen Individuen und Gesellschaften eine hohe Verantwortung in der Klimafrage zu. Am Ende gelingt Klimaschutz nur, wenn sich die gesamte Menschheit, Jetzt und in der Zukunft, über ihre Verantwortung und individuellen Handlungsoptionen bewusst wird.

Natürlich müsste man an der Stelle das Verhalten von Individuen und Gesellschaften in Bezug auf ihre Verantwortung zur CO2 Emission unterscheiden. Da wir Menschen uns aber innerhalb unserer Gesellschaften in wechselwirkendem Austausch (soziale Resonanz) befinden und uns darüber in unserem Denken und Verhalten (Mindset) durch soziale Nachahmung und Normierung (in-/formelles Vereinheitlichen) anpassen, was auch als globaler Prozess stattfindet, kann an der Stelle von WIR gesprochen werden. Im weiteren Kontext des Beitrags gilt WIR für alle Individuen, Gesellschaften und die Weltgemeinschaft, die global vernetzt und vom Klimawandel betroffen ist. Das WIR steht auch für die zukünftigen Generationen, die sich mit den Hinterlassenschaften der Vorgenerationen auseinandersetzen müssen.

Es muss also eine Lücke, ein „Gap“ (Kognitive Dissonanz) zwischen dem Wissen über den Klimawandel und unserer Anpassung im Verhalten geben. Dabei können wir davon ausgehen, dass sich der menschengemachte Klimawandel nicht an unser Verhalten anpasst. Wenn wir unsere planetaren Lebensgrundlagen in einer positiven Perspektive erhalten wollen, und das ist ein sehr naher Zeithorizont, dann müssen wir unser Verhalten in der Bestrebung zu transformativen ökologischen, sozialen, ökonomischen und technologischen Entwicklungen und dem dazu nötigen politischen Bewusstsein sowie unseren personalen Lebensstil anpassen. Wie soll es sonst gehen? Das von uns Menschen freigesetzte, davor in der Erde gebundene fossile CO2 und alle weiteren von uns Menschen in einem Übermaß emittierten Treibhausgase mit Klimarelevanz und hoher Halbwertszeit, sind nun mal da, auch wenn wir diese und ihre Folgen für unser Leben noch nicht in der Weise realisiert haben, um handlungsfähig zu sein.

Realitätsbezug

Wenn wir uns das Phänomen Verhalten genauer anschauen, dann können wir feststellen, dass es dabei auch um das Thema Realitätsbezug geht, da unser Verhalten aus einem mentalen Prozess resultiert, nicht aus einer Eins zu Eins Verbindung Verhalten zu Realität. Wir erfahren Realität über unsere Wahrnehmung und über Informationen, verarbeiten die mehr oder weniger direkte Realitätserfahrung im Rahmen unserer mentalen Informationsverarbeitung und bilden so einen mentalen Realitätsbezug, der unser Verhalten gegenüber und in der Realität leitet. Die Frage dabei ist, wie realitätsnah ist unser mentaler Realitätsbezug?

Klimaforscher Ottmar Edenhofer, fahren wir gegen die Wand?

DIE IDEE. Ideen, Leute, Stories. · #32 Klimaforscher Ottmar Edenhofer, fahren wir gegen die Wand? · ARD Audiothek

Prof. Ottmar Edenhofer ist ein führender Experte für die Ökonomie des Klimawandels und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Er ist Professor für die Ökonomie und Politik des Klimawandels an der TU Berlin und Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Von 2008 bis 2015 war Ottmar Edenhofer Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – er hat maßgeblich am Fünften Sachstandsberichts zum Klimaschutz gearbeitet.

Wie konstruiert sich Realitätsbezug? Als erstes kommt Realität als Information über unsere Wahrnehmung durch unsere Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Empfinden) in unser Mentalsystem und wird dort mental repräsentiert (virtuell abgebildet). Dabei filtert bereits die Wahrnehmung die Information, es wird nur ein bestimmtes Frequenz-Spektrum über die Sinne in das Mentalsystem übertragen und entsprechend unserer Aufmerksamkeitslenkung nur selektiv. Gleichzeitig wird die mentale Repräsentation (Abbildung) der Information assoziativ als subjektive (persönliche) Konstruktion erzeugt und nicht Eins zu Eins als objektive (tatsächliche) Wirklichkeit abgebildet, womit unsere mentale Informationsverarbeitung agiert. Wir erfahren die objektive Wirklichkeit außerhalb unseres Organismus mental als individuelle subjektive Interpretation (Deutung, Auslegung, Erklärung), somit als persönliche Sicht der Dinge.

Die repräsentierte Information wird in unserem Mentalsystem affektiv-emotional (reflex/impulsartige Gefühlsregung) nach seinem Bedeutungswert: Neuigkeit, Sicherheit, Belohnung; sozial nach seinem Beziehungs- und Vertrauenswert: Überbringer der Nachricht, Personen in der Nachricht; kognitiv (denkend, erkennend) nach seinem Faktenwert: Logik und Relevanz des Inhalts, Lösungen und Handlungsoptionen im assoziativen und interpretativen Abgleich mit unserem gespeicherten Wissen (Assoziatives Netzwerk), das wir im Laufe unseres Lebens erworben haben, verarbeitet, woraus sich unser Verhalten in Schlussfolgerung der subjektiven Interpretation der Wirklichkeit in einem kontinuierlichen interaktionalen Reiz-Reaktions-Prozess (Resonanz) mit der Realität konstruiert (ausrichtet, formt, gestaltet) und validiert (prüft, korrigiert, bestätigt). Wir erschaffen so in mentaler Form subjektive Wirklichkeit (in der Vorstellung) und nehmen über unser davon geleitetes Verhalten Einfluss auf die objektive Wirklichkeit.

Eine Sonderstellung nehmen in diesem Prozess unsere tiefen (unbewussten) Einstellungen ein, die in unserem mentalen Assoziativen Netzwerk (Bedeutungen, Wissen, Erfahrungen) gespeichert sind und aus unserem Sozialisationsprozess (konditional/prägend) sowie unseren biographischen Erlebnissen resultieren. Sie beinhalten unser generelles Welt- und Menschenbild und werden im Informationsverarbeitungsprozess abgerufen, um uns Orientierung im Kontext unserer darin verinnerlichten (internalisierten) Werte, Normen, Rollen, Glaubenssätze und Vorurteile (Stereotype), von Richtig und Falsch zu geben.

Wir können unsere tiefen Einstellungen als relativ fixe Konstrukte und Haltungen in unseren Werten, Meinungsbildern und Verhaltensmustern entdecken. Tiefe Einstellungen haben die Eigenschaft sich ständig in Form von „logischen“ Überzeugungen, Motiven, Zielen sowie Affinitäten und Präferenzen im Informationsverarbeitungsprozess und in der subjektiven Wirklichkeitskonstruktion zu reproduzieren und zu bestätigen, um so unserem Lebenskonzept Kontinuität (Stetigkeit/Beständigkeit) und Kohärenz (Stimmigkeit/Sinnhaftigkeit) und damit mentale Balance und Sicherheit zu vermitteln.

Unterstützt wird die Reproduktion unserer tiefen Einstellungen, die im Unbewussten arbeiten, durch ebenso unbewusste Abwehrmechanismen (Beschreibung nach Anna Freud – Wikipedia) z. B. Leugnung, Verdrängung, Rationalisierung (sich die Welt zurechtlegen, wie man sie sehen will) etc., die Informationsinhalte entkräften und neutralisieren, welche uns unter Stress setzen. Schließlich wird unser Verhalten von unseren mental fest eingespurten (konditionalen) und automatisierten Denk- und Verhaltensmustern sowie Gewohnheiten geprägt, die in der Regel nur dann angepasst werden, wenn konkrete Erfahrungen dies nachdrücklich erfordern.

Die Nutzung von mentalen Mustern, Gewohnheiten und Automatismen erleichtert es unserem Mentalsystem im Alltag schnelle Entscheidungen zu treffen und spontane Handlungen zur Erhaltung unseres Lebens zu vollführen. Im Alltag verhilft uns diese Programmierung lebenspraktisch vorzugehen und uns in akuten Situationen schnell zu schützen. Gleichzeitig bahnen sich darüber auch unsere tiefen antriebsbezogenen Bedürfnisse und Affekte ihren Weg in unser Verhalten und unterlaufen (motivationaler Bottom Up Drive) dabei häufig unsere rationale Kontrolle (kognitive Top Down Control). Bedürfnisse: Primäre, die unserem Überleben und Sekundäre, die unserer Lust dienen, sind in diesen mentalen Prozessen enorm starke Kräfte.

Reflektives Denken und Handeln, als Alternative zu unseren mentalen Mustern, ist für unser Gehirn energie- und zeitintensiv. Deshalb versucht unser Mentalsystem Situationen musterhaft zu erkennen und mit generalisierten Automatismen ökonomisch zu lösen. Reflektives Verarbeiten (Prüfen, Berechnen, Entscheiden) von Situationen geschieht in einem konditionalen Alltagsmodus nur, wenn keine geeigneten Muster zur Lösung identifiziert werden können, aber ein Risiko in der Einschätzung der Lage besteht, es also unbedingt sein muss.

Eine sehr verbreitete Variante der mentalen Abwehr stellen Ablenkungsmanöver von der eigenen Verantwortung dar. Ich habe doch keinen großen Einfluss, das sind die Anderen. Wir sind doch nur wenige, bewirken nichts. Die Anderen sind doch viel mehr und sind deshalb für das Problem zuständig. Zur Bekräftigung werden rationalisierte „logische“ Vorwände ins Spiel gebracht. Wir in Deutschland verursachen doch nur 2 % des weltweiten CO2 Ausstoßes. Den Pro-Kopf CO2 Ausstoß/Jahr von 10,8 T/Deutschland (BMUV,Febr. 2022) z. B. gegenüber 1,74 T/Indien und 0,31 T/Kenia (DEStatis, 2020), erwähnt man dabei nicht. Dass China die Werkbank für unsere Konsumprodukte ist und für den Westen damit CO2 ausstoßt, auch nicht.

Fakten statt Behauptungen

https://www.klimafakten.de/fakten-statt-behauptungen/fakt-ist

„Klimawandel? In der öffentlichen Debatte und im privaten Austausch sind dazu unterschiedliche und teils widersprüchliche Aussagen zu hören. klimafakten.de erklärt, was dem aktuellen Stand der weltweiten Forschung entspricht – und was nicht. Nach dem Motto: Fakten statt Behauptungen.“ klimafakten.de

Wenn, dann soll die Politik das regeln. Alleine was zu machen, bringt ja nichts. Regelt die Politik, wird protestiert. Man will sich ja, wenn, „FREI“ entscheiden. Als nächstes folgen populistische Begriffe wie „Verbotspolitik“, „Klimadiktatur“ etc., um am anderen Ende die Wähler, die sich in der mentalen Abwehr befinden, einzufangen. Da beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Die Behauptung, nicht verantwortlich und nicht zuständig zu sein, häufig in Wiederholung kursierender Narrative, die den menschgemachen Klimawandel herunterspielen, ist uns wichtiger, als die jederzeit zugängliche Faktenlage. Als weitere Variante werden Fakten aus dem Kontext genommen und in abwehrbezogene Meinungskonstrukte (Rationalisierung) gepackt. Im konditionalen mentalen Modus, geschieht dies meist unbewusst. Die Kultur des „Postfaktischen“, der „Alternativen Wahrheiten“ und der gezielten Desinformation spielen der mentalen Abwehr zudem in die Hände.

An der Stelle ist zu erwähnen, dass es natürlich auch politische Lobbyarbeit gibt. Wirtschaftskreise, die mit ihren Produkten und Leistungen direkt und indirekt mit der Nutzung fossiler Stoffe verbunden sind, haben sich die letzten Jahrzehnte, statt sich an die Veränderungen durch den Klimawandel strategisch anzupassen und sich mit Innovationen an die Spitze von Zukunftstechnologien zu setzen, eine Menge Ressourcen in die Lobbyarbeit für ein „WEITER SO“ gesteckt. Politisch wird dies in medial wirksamen Narrativen lanciert: „Deindustrialisierung“, „Unternehmen wird die wirtschaftliche Basis entzogen“ ect., die durch alle Bildungsschichten hindurch gerne aufgenommen und als argumentatives „Bollwerk“ zur Abwehr einer Grünen Transformation in Dauerschleife eingesetzt werden.

Unternehmen, Lobbyverbände, Regierung – Wer bremst beim Klimaschutz am meisten?

https://www.spiegel.de/wissenschaft/wer-bremst-beim-klimaschutz-am-meisten-a-79cd588e-fb4f-4532-9279-9a941b58d4f3

Die Argumente gegen Klimaschutz wiederholen sich immer wieder. Wer das Tempo bei der Klimapolitik drosselt, wer von der Verzögerung profitiert und welche Interessen dahinterstecken.

 

 

Egal welche Argumente ins Feld geführt werden, es geht in der mentalen Abwehr, die unbewusst (konditional) arbeitet, meist um ein egozentrisches Weltbild mit dem man von der eigenen Verantwortung und des möglichen eigenen positiven Beitrags für den Klimaschutz ablenkt.

Egozentrierter Selbstbezug ist für die Lebenserhaltung wichtig. Allerdings sind wir soziale Wesen und als solche auf gelingendes soziales Leben in Gleichberechtigung und Solidarität angewiesen (eigentlich). Viele menschgemachte Probleme in der Welt resultieren aus einem Selbstbezug (Egozentrik), der nicht den Sozialbezug in gleicher Weise integriert. Soziale Grundwerte und Empathie sind dafür die grundlegenden Voraussetzungen. Wenn Egozentrik auch noch von Egoismus (Vorteilsstreben) und ggf. von Narzissmus (Selbstsucht) geprägt ist, schaltet unser Geist das Verständnis für Gerechtigkeit und Empathie relativ aus und folgt der eigenen Bedürfnisbefriedigung und Dominanz. Hauptsache ich, die Anderen können ja Klimaschutz betreiben, wenn sie das wollen oder wichtig finden.

Es muss aber nicht notwendig Abwehr oder Egozentrik sein, wenn wir unsere Lebensgewohnheiten nicht ohne driftigen Grund an die Erfordernisse des Klimaschutzes anpassen wollen, ob das nun das Individualverhalten, die Akzeptanz politischer Entscheidungen oder technologische Transformation und damit verbundene Lernsituationen betrifft. Der Realitätsbezug bildet die wesentliche Grundlage für die innere Bereitschaft der Anpassung an die Lebensbedingungen.

Lasst Luisa Neubauer traurig gucken | Bosetti will reden!

https://www.youtube.com/watch?v=SlPdJRK6-pk

Sarah Bosetti mahnt an, dass die Warnungen vor einer Radikalisierung der Klimaproteste verkehrt sind. Tatsächlich seien es oft die Gegner des Klimaprotests, die sich radikalisieren und Aktivisten bedrohen oder gewalttätig werden. Sarah Bosetti betont, dass es wichtig sei, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um den Klimawandel zu bekämpfen, anstatt uns gegenseitig zu bekämpfen. Ideologische Unterschiede sollten in den Hintergrund treten und praktische, umsetzbare und effektive Klimaschutzmaßnahmen sollten in den Vordergrund gestellt werden. Für Sarah Bosetti ist es irrelevant, welcher politischen Partei man angehört, solange man sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlage einsetzt. Man solle die Partei wählen, die den eigenen Ansichten am ehesten entspricht, aber auch den eigenen Abgeordneten klarmachen, dass heute und nicht in einer fernen Zukunft gehandelt werden muss. Sarah Bosetti fordert dazu auf, Verantwortung für unsere Umwelt zu übernehmen und gemeinsam für eine nachhaltigere Zukunft zu kämpfen, unabhängig von politischen Überzeugungen.

Ein weiterer Aspekt mentaler Prozesse, der in der Bildung unseres Realitätsbezugs wirksam wird, ist unsere Suggestibilität. Unser Denken agiert mit Logiken. Wenn etwas logisch erscheint, wird es mental als „wahr“ deklariert und in unsere subjektive Wirklichkeitskonstruktion eingebaut. Mediale Informationen werden von seinen Autoren in Sinnkontexten und damit in Logiken konstruiert/codiert, damit sie von den Nutzer:innen in den von ihr:m beabsichtigten Bedeutungen verstanden/decodiert werden können. Und, genau hier ist die Schnittstelle für die Indoktrination (Beeinflussung) und Instrumentalisierung von mentalen Prozessen, die Ziel von Desinformation und Populismus sind. Über diesen Mechanismus sind wir Menschen von Außen steuer-, manipulier-, fremdbestimmbar.

In Summe heißt das, den ersten Filter der Realitätsinformation setzt unsere Wahrnehmung, den zweiten Filter unsere tiefen konditionalen Einstellungen zur Aufrechterhaltung der Kohärenz unseres Lebenskonzeptes, den dritten Filter unsere Abwehrmechanismen, um Stress zu vermeiden und, sofern reflektives Vorgehen nicht unbedingt notwendig erscheint, erledigen im konditionalen Modus unsere mentalen Muster, Gewohnheiten und Automatismen sowie unsere Suggestibilität in Beeinflussung von Außen den Rest zur Entwicklung unseres subjektiven Realitätsbezugs und unseres daraus resultierenden Verhaltens. In dieser Betrachtung wird die Frage, nach dem „Gap“ zwischen Wissen und Verhalten in Bezug auf den Klimawandel und seine Folgen schon klarer.

Mindset

Wenn sich Wissen, in diesem Fall zu Klimafragen, noch nicht in unseren tiefen Einstellungen und mentalen Mustern, in unserem Mindset eingeprägt und verankert (konditioniert) hat, reproduziert und konstruiert es sich auch nicht relevant (maßgeblich, entscheidend) in unseren subjektiven Realitätsbezug hinein und wird somit in unserem Verhalten nicht wirksam. Menschliche Geister (Mentalsysteme) sind allerdings nicht gleich „getaktet“, wenn faktisches Wissen über die Realität an die mentale „Tür“ klopft. Es kann ein Gefühl aufkommen: „Moment mal, was vernehme ich da? Der anhaltende und steigende CO2 Ausstoß der letzten Jahrzehnte bedroht unsere Lebensgrundlagen weltweit? Das möchte ich mir doch einmal genauer anschauen!“ In diesem Gefühl kann der Geist (mentale Prozesse) vom konditionalen Alltagsmodus in den reflektiven Modus umschalten und die Frage nach der Bedeutung des faktischen Wissens prüfen und ggf. in die Anpassung seiner mentalen Muster und Prozesse sowie in der Folge seines Verhaltens gehen.

Allzu viele Geister haben bisher auf das „Anklopfen“ des faktischen Wissens über den Klimawandel und die dafür verantwortlichen menschgemachten Emissionen offensichtlich noch nicht reagiert, obwohl dies einfach möglich gewesen wäre, denken wir nur an das Thema erneuerbare Energien, das in der Vergangenheit zwar thematisiert, aber politisch und wirtschaftlich ausgekontert und nicht relevant realisiert wurde. Wir sollten uns als Individuen und Gesellschaften in Anbetracht des Gaps zwischen dem seit Jahrzehnten vorhandenen Wissen und unseres Verhaltens durchaus fragen, was ist unser Anteil. Wir treffen tagtäglich klimarelevante Entscheidungen und handeln entsprechend. Wir verfügen zumindest in den Demokratien über eine freie politische Stimme, mit der wir politische Kräfte, die für Klimaschutz eintreten, wählen können.

Das Umschalten vom konditionalen in den reflektiven mentalen Modus und der Haltung von Achtsamkeit wird in unserem Geist wegen des ökonomischen Aufwands in der Regel nur bei gegebenem Anlass getätigt. Wenn die kognitiven Schlussfolgerungen, dann auch noch eine Anpassung und Veränderung unserer konditionalen Muster erfordern, bedarf es eines erheblichen Anlasses in Form einer äußerst stark wirkenden motivationalen Belohnungs- rsp. Glückserwartung, im Gegensatz dazu einer stark stressbelasteten, reaktiven Angstbesetzung oder einer disruptiven Wirklichkeitserfahrung (Schock), um den Prozess beim Einzelnen und in der Breite der Geister in Gang zu bringen.

Alternativ könnte das Einwirken des Wissens zum Klimawandel in die konditionalen mentalen Muster eine natürliche kulturelle Entwicklung und kollektive Assimilation von Anpassungsmustern (Einstellungen, Normen, Verhalten) ermöglichen. Aber auch dies würde die initiative motivationale Kraft einer Belohnungserwartung oder reaktiven Stressbelastung bedürfen. Die abstrakte Perspektive Erhaltung des planetaren Lebensraums, insbesondere für die jungen und zukünftigen Generationen, hat in der Vergangenheit als Belohnungs-„Bonbon“ oder Schutzszenario offensichtlich nicht ausgereicht. Abstrakt deshalb, weil die Erfahrung der Verschlechterung individueller Lebensbedingungen vor allem in den industrialisierten Gesellschaften bisher noch nicht konkret existenziell war.

Auch die Information über bereits reale lebensbedrohliche Auswirkungen von Wetterextremen, Dürre und Anstieg der Meere regional, vor allem im globalen Süden, reichen im Sinne reaktiver Angst, die allerdings auch aktivitätshemmende depressive Formen ausprägen kann, und motivationaler Perspektive für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen zu einer zügigen natürlichen kulturellen Entwicklung von Anpassungsmustern nicht aus. Der Zeithorizont dafür ist in der Breite der Gesellschaften erfahrungsgemäß sehr weit zu verstehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu weit, denkt man an das deutliche Fortschreiten der Erderwärmung.

Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber bei Jung und Naiv

#515 – Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber

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Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Klimafolgenforschung und die Erdsystemanalyse. Er gehört zu den weltweit renommiertesten Klimaexperten. Bis September 2018 war er Direktor des 1992 von ihm gegründeten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), das unter seiner Leitung zu einem der weltweit angesehensten Institute im Bereich der Klimaforschung wurde. Von 2009 bis 2016 war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Er ist langjähriges Mitglied des Weltklimarats (IPCC).

Möglicherweise müssen wir auf eine resonante Form der kreativen kulturellen Entwicklung hoffen, die uns in unseren konditionalen mentalen Mustern motivational anspricht, uns für neue anpassungsfähige (adaptive) Denk- und Verhaltensmuster öffnet, uns diese als positive erstrebenswerte Modelle in Kombination mit transformativen (umwandeln) ökologischen, sozialen, ökonomischen und technologischen Lösungen anbietet und uns die Möglichkeit der Anpassung, des neu Lernens und des Wandels durch praktische Erfahrungen vermittelt. Idealerweise würden wir sehr zeitnah transformative CO2 neutrale Technologien entwickeln, die uns ein „WEITER SO“ bestenfalls mit noch effizienteren Produktionsprozessen, noch attraktiveren Produkten, noch magischeren Begehrlichkeiten und Erlebniswelten erlauben würden.

Wir würden so ohne konfrontierende Anpassung unserer mentalen Muster, ohne mutmaßlich schmerzliche Veränderungsprozesse, obwohl Veränderung auch entlastend, befreiend und sinnstiftend sein kann, „hinübergehoben“ werden in die neue Welt der positiven Perspektive für unsere planetaren Lebensgrundlagen. Es gibt politische Kräfte, die mit diesem Versprechen für Stimmen werben, z. B.wird suggeriert, dass private Gasheizungen absehbar mit Wasserstoff, der aber für die private Heizung auf Sicht nicht verfügbar sein wird, betrieben werden können. Wie realistisch ist also dieses Szenario? Wir Menschen werden transformative CO2 neutrale Technologien entwickeln, die Frage ist, wie schnell kann dies gelingen und wie zügig sind die Adaptionsprozesse von uns Menschen dazu und was machen wir in der Zwischenzeit? „Däumchen drehen“, auf die „Erlösung“ warten und „SO WEITERMACHEN“?

Maja Göpel „Wir müssen das Teilen neu lernen“

hr2 Doppelkopf · „Wir müssen das Teilen neu lernen.“ | Maja Göpel bricht Denkstrukturen auf · ARD Audiothek

Die Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Maja Göpel gilt als eine Gallionsfigur der Klimabewegung. Ihre Vorträge und Veranstaltungen füllen spielend große Hallen, sie ist regelmäßig in Talkshows zu Gast und ihre beiden Sachbücher – unter Mitarbeit des Journalisten Marcus Jauer entstanden – sind Bestseller.

Schlüsse, die wir ziehen

Betrachten wir die Einstellungen und das Verhalten von uns Menschen in Bezug auf den Klimawandel und den Klimaschutz, dann können wir teils große Unterschiede von der Leugnung und Ignoranz, über die Dissonanz von Einstellung und Verhalten, bis hin zu Konsequenz und Aktivismus feststellen. Wie können wir Menschen so unterschiedliche Schlüsse aus dem faktischen Wissen und den bereits erlebbaren Folgen ziehen und mit unserer Haltung manifestieren, was sich quer durch alle Bevölkerungsgruppen und Bildungsschichten zieht? Das faktische Wissen ist, zumindest in der industrialisierten Welt, über alle Medien ständig präsent und wer es genau wissen will, kann sich eingehend im Internet und in der Fachliteratur informieren.

Was macht den Unterschied in unserem Realitätsbezug, in unseren Einstellungen und unserem Verhalten? Bei dieser Frage macht es Sinn etwas tiefer in die Welt unseres Mentalsystems einzusteigen. Blicken wir kurz auf das Thema medial präsentes und fachlich verfügbares Wissen über den Klimawandel in unserer Wahrnehmungssphäre. Es wirken täglich Informationen, zumindest ein unumgängliches Headlining (Überschriften) von Medien auf unsere Wahrnehmung unbewusst und bewusst ein. Unser Mentalsystem muss diese Informationsreize verarbeiten, wir können uns dieser Reize nicht entziehen.

Die Information wird zu Beginn unserer mentalen Informationsverarbeitung, wie bereits beschrieben, assoziativ repräsentiert. Dann wird der Verarbeitungsfilter Neuigkeits-/Bedeutungswert aktiv, wofür neuronal der Thalamus (Gateholder/Türsteher der Informationsverarbeitung) zuständig ist. Wenn der „Türsteher“ sagt, „kenn ich schon“, muss sich der weitere Verarbeitungsprozess nicht weiter kümmern, die Information wird mental nicht explizit wirksam. Aus diesem Grund versucht das mediale Headlining ständig „Sensationen“ zu „verkaufen“. „Du musst Dir die Information unbedingt anschauen, das ist unglaublich, das tangiert Dich, das befriedigt Deine Neugier, das erfüllt Deine Bedürfnisse und Wünsche, davor musst Du Dich hüten etc.“ Dann sagt unser „Türsteher“: „OK, neuronale Kolleg:innen, bitte kümmert Euch darum.“

Google News am Handy und die Browser News Feeds stehen sprichwörtlich für das heftige Triggern (Auslösen) unserer Aufmerksamkeit und die Aktivierung von Begehrlichkeit, das Neueste, Bedeutendste und Sensationellste zu erfahren. Clickt man und liest die Artikel hinter den Headlines (Überschriften) und Abstracts (Kurzbeschreibungen), erfährt unser Geist meist nur Belangloses, Tendenziöses, zum Teil ideologisch gefärbte Botschaften und Geschichten (Narrative), die unser Denken beeinflussen sollen. Je nach Feed (zugespielte Push-Inhalte), den uns die Algorithmen (Berechnungsmodelle) auf Basis unseres Nutzungsverhaltens und dem darauf abzielenden interessensbasierten Tracking (Verfolgung) zuspielen, ist es häufig eine Enttäuschung dem Headlining zu folgen.

Dennoch tun wir es ständig, indem wir deren Versprechen geradezu in haltloser Sucht folgen, biologisch bedingt durch die Ausschüttung von Dopamin, einem Neurotransmitter (Botenstoff), der unsere Motivation, Belohnung zu erreichen (Wanting), steigert. Qualitätsmedien leben auch von Nutzungsquoten, achten aber auf Informationswert, setzen auf das Interesse an Aufklärung, respektieren das Bedürfnis ihrer Nutzer:innen nach differenzierten faktischen Informationen und reflektierten Interpretationen sowie selbstbestimmter Meinungsbildung, wissentlich der Unumgänglichkeit mentaler Subjektivität, Interpretativität und Intentionalität (Absicht, Ziel), der eigenen und der ihrer Nutzer:innen.

In der folgenden Phase der mentalen Informationsverarbeitung checkt nun unser Emotionssystem den Belohnungswert (neuronal der Nucleus Accumbens, unser Belohnungszentrum) und den Sicherheitswert (neuronal die Amygdala, unser Angstzentrum) der wahrgenommenen (rezipierten) Information. Wird die Information motivational mit Belohnung codiert, entsteht Interesse und es erfolgt eine mentale Annäherung und Vertiefung. Wird die Information reaktiv mit Unsicherheit und Angst codiert, erfolgt eine Vermeidung und Verdrängung ggf. Verleugnung. Ist die Information mit Interesse codiert erfolgt eine soziale (wer steckt hinter und in der Information) und kognitive Verarbeitung (was sagt mir die Information und welche Schlüsse ziehe ich daraus).

Tendenziöse Meinungsmedien Print/Online/TV/Funk sowie Meinungskanäle in den sozialen Medien mit ideologischer und politischer Agenda, arbeiten mit unserem mentalen „Belohnungssystem“. Sie bestätigen mit ihren Schlagzeilen, Geschichten und Argumenten unsere Einstellungen und Überzeugungen, nähren mit ihren Narrativen („Sinn“stiftende Erzählung) unsere Meinungen, die wir dann in Diskussionen mit Vehemenz vertreten und verbreiten.

Ob diese bei differenzierter reflektiver Betrachtung unseren Lebensbedingungen nutzen oder wir diese durch die Wiederholung und Verbreitung und letztlich mit unserer politischen Stimme gar in Frage stellen, bleibt uns meist mental verborgen. Als Gegenmittel der medialen Suggestion und Indoktrination hilft uns der reflektive mentale Modus und die Fähigkeit der Dekonstruktion (analytisches, kritisches Hinterfragen) der Narrative, die wir in unsere Meinungsbilder aufnehmen.

An dieser Stelle sei auf unsere öffentlich-rechtlichen Medien verwiesen, die uns täglich Qualitätsnachrichten und Qualitätsjournalismus z. B. in der „Tagesschau App“ und „heute App“, im Angebot des Deutschlandfunks und der Deutschen Welle bieten. Dessen dürfen wir uns in unserer Demokratie glücklich schätzen. Autokratien und Diktaturen nutzen staatliche Medien im Selbstverständnis zur Indoktrination, Ideologisierung und Manipulation ihrer Bürger.

Wie bereits beschrieben, sind nicht alle Geister (Mentalsysteme) gleich „getaktet“, sonst gäbe es kein unterschiedliches Informationsverhalten, keine anderen Meinungen und keine verschiedenen Reaktionen und Verhaltensweisen. Wir haben von Mindset gesprochen, mit dem unsere Einstellungen sowie Denk- und Verhaltensmuster gemeint sind, die individuell durch Sozialisation und biographische Erfahrungen geprägt (konditioniert) werden. Unser Mindset beeinflusst unser Informationsverhalten, unsere Informationsverarbeitung und unsere Meinungsbildung.

Wie aber in unserem Geist Schlüsse aus Informationen gezogen werden und wie daraus mentale Anpassungen (Modifikationen/Aktualisierungen und Modulationen/Veränderungen) entstehen, ist in einem komplexen kreativen und konstruktiven Prozess des kognitiven Framings (Sinnzusammenhänge) sowie des triebbezogenen, affektiven Lebensprogramms (Homöostase) eingebettet, in dem das gesamte Mentale Selbst zur Wirkung kommt.

Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus

HR Fragen an den Autor ARD Mediathek

Die taz-Wirtschaftsjournalistin meint: Wachstum und Klimaschutz sind nicht vereinbar. Unser Leben müsse sich grundlegend verändern, indem wir „grün schrumpfen“. Aber: Schaffen wir überhaupt den Ausstieg aus dem Kapitalismus, ohne das es zum Chaos kommt?

Mentales Selbst

Nun sind wir am spannendsten Punkt des Geschehens: Wer oder Was bestimmt unsere mentalen Prozesse und das daraus folgende Verhalten. Üblicherweise sagen wir, das sind „Wir“ selbst, das bin „ICH“, wer sonst! Ich entscheide, welche Informationen ich, wie nutze, welche Meinung ich mir bilde und wie ich mich verhalte. Schauen wir uns das genauer an. Wenn es unterschiedliche Meinungen und Verhalten zu faktischem Wissen gibt, dann ist entweder das Wissen mehrdeutig oder die Meinungen. In Bezug auf Meinungen stellt die aktuelle Neurobiologie und davor schon der philosophische Konstruktivismus fest, dass diese mental subjektiv konstruiert sind. Dies würde bedeuten, dass unser „ICH“ keine objektive Perspektive in der Konstruktion seiner Meinungen und seines Verhaltens hat.

Dann stellt sich die Frage nach dem „ICH“. Wenn wir „ICH“ sagen, meinen wir unser Ich-Bewusstsein, in dem eine personale Identität und Perspektive, die wir „ICH“ nennen, als innerster Punkt (Fokus) aufscheint. Dieses „ICH“ wird neuronal in unserem Gehirn erzeugt und repräsentiert (abbilden) so in unserem Ich-Bewusstsein unser „SELBST“ (Organismus Mensch, das Subjekt) als „ICH“. In unserem „ICH“ macht sich damit unser subjektives „SELBST“ (für sich) mental als Selbst erlebbar. Es kann sich über das personale „ICH“ als imaginäre (in der Vorstellung) Person in seine mentale Weltkonstruktion stellen und szenisch (virtuelles Geschehen) darin positionieren (externalisieren/veräußerlichen). Das „ICH“ erscheint uns in unserem Ich-Bewusstsein als unmittelbare, kontinuierliche und stabile Identität, damit als festes Fundament unseres Geistes. In dieser identifizierten Ich-Perspektive erzeugt sich die Illusion objektiver mentaler Prozesse.

Seit Jahrtausenden führte diese Identifikation zur Vorstellung einer Seele, in der sich alle mentalen Prozesse (Geist, Psyche) bündeln und die eine nicht körperliche duale Existenz hat. Ihr wurden metaphysische (übernatürliche) Eigenschaften bis hin zur Fähigkeit der Wiedergeburt in körperlicher Existenz zugeschrieben. Heute bezieht sich die Identifikation mit der Ich-Perspektive auf die Illusion einer objektiven Vorstellung der Wirklichkeit und objektive Richtigkeit unserer Meinung. Im konditionalen mentalen Modus wird unsere Ich-Perspektive, im Unterschied zum reflektiven mentalen Modus, in seiner Subjektivität und damit Relativität seiner mentalen Inhalte, nur bedingt abgebildet.

Unser Zentrales Nervensystem, mit dem Steuerzentrum Gehirn, bildet in einem virtuellen „Strom“ unseren gesamten Organismus als neuronalen Selbstprozess ab, mit der Aufgabe seiner Steuerung für unser Überleben und unsere Fortpflanzung (Homöostase). In unserem Ich-Bewusstsein erscheint allerdings nicht der gesamte neuronale Selbstprozess in Form mentaler Inhalte. Freud hat vor ca. 120 Jahren das „Unbewusste“ postuliert (Feststellung) und damit zum Ausdruck gebracht, dass das bewusste „ICH“ nicht der:die Herr:in im mentalen Haus ist. Dieses Postulat gilt auch als die dritte Kränkung der Aufklärung, nach der Feststellung, die Erde ist nicht das Zentrum des Universums (Kopernikus) und der Mensch stammt vom Affen ab (Darwin). Antonio Damasio (Neurowissenschaftler) hat den neuronalen Selbstprozess wissenschaftlich beschrieben.

Demnach können wir sagen, der neuronale Selbstprozess, das Mentale Selbst bildet im „ICH“ innerhalb unseres Ich-Bewusstseins einen Teil seiner Aktivität in Form der personalen Identität und Perspektive sowie mentalen Prozesse (Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Handeln) und Inhalte ab, die sich zu den Prozessen und Inhalten im „Unbewussten“ abgrenzen. Auf der Ebene der neuronalen Funktionssysteme insbesondere der Affekte und Emotionen, der Verarbeitung von Informationen sowie der Bearbeitung und Kontextualisierung (Erweiterung des Bezugsrahmens) von Inhalten, liegt der „Schleier“ des Unbewussten. Wir erleben somit in unserem Ich-Bewusstsein nicht den gesamten Umfang unserer mentalen Prozesse und Inhalte. Vielmehr erhalten wir darin „Einblick“ in die rationalen Schlüsse, die unser Mentales Selbst, in unserem Unbewussten zieht und uns in unserem Ich-Bewusstsein als subjektive Meinung darbietet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Mentalen Selbst ist seine perspektivische Ausrichtung, die im organischen Selbstprozess und dem menschlichen Überlebensprogramm (Homöostase) wurzelt. Unser Geist steuert unser Leben, Ausgangspunkt dafür ist sein Selbstbezug. Unser „SELBST“ verfügt aber auch über die biologische Basis für unseren Sozialbezug. In unserem neuronalen System sind bestimmte Regionen im mittleren Vorderhirn (medialer Präfrontaler Cortex/PFC) und im Mittelhirn genetisch für die zwischenmenschliche soziale Interaktion, Kommunikation und Bindung angelegt. Die entsprechenden Areale verschalten sich von Geburt an automatisch über die Erfahrung der elterlichen Zuwendung und Fürsorge sowie die soziale Begegnung in der Kindheit, im Jugend- und im Erwachsenenalter.

Unserem „SELBST“ ist sozusagen mit dem Selbstbezug auch der Sozialbezug in die Wiege gelegt. Da wir Menschen als sekundäre Nesthocker gelten, wir sind nach der Geburt versorgungs- und erziehungsbedürftig, ist der Sozialbezug überlebenswichtig. Deshalb wird der Mensch auch als Sozialwesen bezeichnet.

In der bewussten Ich-Perspektive erleben wir unseren Selbstbezug in Form eines Sichtpunkts, woher wir auf die Welt blicken, und einer Haltung, woraus wir in der Welt agieren. Gleichzeitig erleben wir unseren Sozialbezug auf der affektiv emotionalen Ebene in Form von sozialen Gefühlen der Nähe, Zuneigung, Liebe, Ablehnung, Hass, Trauer etc. sowie Beziehung und Bindung zu anderen Menschen. Die soziale Hinwendung und emotionale Einfühlung zu Menschen bündeln wir unter dem Begriff Empathie. Diese Ausrichtung unseres „Selbst“ ermöglicht es unsere physischen und psychischen Bedürfnisse zu befriedigen und so für unser Leben zu sorgen.

In der Entwicklung unseres „Selbst“ kann je nach Anlage und Sozialisation, die soziale Kultur spielt dabei eine große Rolle, die Ausprägung des Selbst- und Sozialbezugs in seinem Zusammenspiel variieren. In unserer aktuellen westlichen Individualitäts- und Wettbewerbskultur prägt sich häufig der Selbstbezug stark aus, mit dem Effekt, dass die eigenen Bedürfnisse und Selbstverwirklichung den Fokus bilden und die Wahrnehmung der anderen, Mitgefühl und Solidarität in den Hintergrund treten. In Bezug auf den Klimaschutz, kann dies bedeuten, dass wir mehr Egozentrik und Egoismus gegenüber der Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten, an den Tag legen.

Wie zieht nun unser Mentales Selbst Schlüsse aus Informationen und formt diese zu Vorstellungen, Einstellungen, Meinungen, Entscheidungen und Verhalten? Mental wird dieser Prozess in der Neurobiologie als „autokreative“ Konstruktion beschrieben. Dabei analysiert unser Geist eingehende Informationen in Unterscheidungen, Bedeutungen und Logiken, in der Folge identifiziert er Muster, konstruiert Kontexte, berechnet Vorhersagen, modelliert Szenarien, bildet Wahrscheinlichkeiten und zieht Schlüsse. Autokreativ deshalb, da unser Gehirn als Bestandteil unseres biologischen Organismus auf Basis seines genetischen und epigenetischen Lebensprogramms und Antriebs in interaktionaler Resonanz mit der Umwelt selbstorganisational agiert und konstruiert.

Mojib Latif: Countdown

Fragen an den Autor · Mojib Latif: Countdown · ARD Audiothek

In Zeiten von Krisen wie Corona oder dem Ukraine-Krieg schien unsere Aufmerksamkeit einen Moment lang abgelenkt von einer Dauerkrise, für die wir noch immer keine Lösung gefunden haben – wie werden wir unser Leben einem sich wandelnden Klima anpassen?

Der kreative Aspekt bezieht sich dabei auf den konstruktiven „Freiheitsgrad“ in unseren mentalen Prozessen. Wobei „frei“ nicht „losgelöst“ bedeutet, vielmehr als funktionaler Möglichkeits- und Gestaltungsprozess von Kontexten und Bedingungen programmatisch verstanden werden kann. Das kreative Momentum darin basiert auf 4 wechselwirkenden strukturellen Ebenen des Gehirns, die auch die Persönlichkeitsmerkmale bilden: Affekte (Offenheit), Emotionen (Freude), Sozialität (Anerkennung), Kognition (Konstruktion), die Gerhard Roth (Hirnforscher, Philosoph) eingehend erforscht und beschrieben hat.

Natürlich arbeitet nicht jeder Geist gleich. Die Ausprägung der individuellen Kreativität und Lernfähigkeit (Plastizität), bezieht sich auf genetische Prozesse sowie der mentalen Stimulanz in der Sozialisation und der weiteren biographischen Aktivität. Wird unser Geist bereits in frühen Jahren durch Ideologisierung (Prägung idealisiertes Weltbild) und Indoktrination (Beeinflussung/Manipulation/mentale Fixierung) mental stark beeinflusst und geprägt (neuronale Verschaltung von Emotions-,Sozialitäts- und Kognitionsmustern), kann es dazu führen, dass die reflektive autokreative Leistungsfähigkeit unseres Geistes durch die Fixierung auf bestimmte mentale Muster (Weltbild, Einstellungen, Meinungsbildung, Haltungen) nachhaltig eingeschränkt und so im konditionalen mentalen Modus fixiert wird.

Deshalb ist es wichtig in einer Kultur des reflektiven mentalen Modus sozialisiert zu werden und diesen ein Leben lang zu pflegen, um unsere geistige Lern und Anpassungsfähigkeit z. B. im Klimawandel für unsere positive Zukunft als Menschen zu erhalten. Es klingt komisch, wenn wir uns die modernen KI-Sprachmodelle, wie die aktuell vieldiskutierten „Chat GPT“ und „Bart“ anschauen, die sich funktional auf unsere neuronalen Sprach- und Konstruktionsprozesse beziehen und uns dabei „scheinbar“ in ihrer Lernfähigkeit übertreffen. Man spricht von „Deep Learning“, wenn synthetische neuronale Netzwerke (KI) durch Lernen kontinuierlich höhere Komplexitäten ihrer Konstruktionslogik erwerben.

Insofern können wir von der Entwicklung unserer KI lernen, dass wir auf die Entwicklung unserer reflektiven autokreativen Leistungsfähigkeit durch unsere mentale Kultur achten müssen, um in unseren Lebensbedingungen anpassungsfähig zu bleiben. Was unseren Geist von der KI unterscheidet, die KI ist nicht dem Lebensprogramm (Homöostase) wie der menschliche Geist (Intelligenz) verbunden, was die Frage nach der Beherrschung und Kontrolle der KI im Sinne menschlichen Wohlergehens aufwirft.

Das Grundprinzip der Intelligenz unterscheidet sich nicht wesentlich, allerdings ist die KI frei von mentalen Fixierungen durch tiefe Einstellungen, Automatismen, Abwehrmechanismen, intrinsischen Bedürfnissen sowie ganz wesentlich von Liebe, Schmerz und Leid, auch wenn sie diese sprachlich rational beschreibt. Die KI entfaltet ihre Lernfähigkeit als Programm, wir Menschen müssen uns darum durch unsere mentale Kultur, Reflexion und Lernbereitschaft kontinuierlich bemühen.

Unterm Strich heißt selbstorganisationale, autokreative, subjektive mentale Konstruktion, unser Ich ist nicht der:die Herr:in im mentalen Haus. Unser Ich ist Teil unseres subjektiven Selbstprozesses und keine bewusste denkende, gestaltende, handelnde objektive Instanz, obschon wir es in unserem konditionalen Ich-Bewusstsein illusionär so erleben. Die Illusion des schöpferischen und gestaltenden „ICH“ wird auch als Agentivität bezeichnet. Wir sind demnach für die Steuerung und Anpassung unseres Lebens auf die selbstorganisationale Aktivität unseres Mentalen Selbst angewiesen, das sich auf Basis unseres genetischen Lebensprogrammes selbst beauftragt und steuert.

Unser „ICH“ hat als Teil dessen keine bewusste objektive Handhabe darauf, wie wir Informationen im Unbewussten verarbeiten, welche Schlüsse wir im „SELBST“ daraus ziehen, welche Einstellungen und Meinungen wir in dessen Folge bilden und wie wir uns verhalten. Dieser Befund ist im „ICH“ sehr schwer nachvollziehbar und zu akzeptieren, wenn erfordert dies sehr hohe kognitive Reflexionsfähigkeit, zumal dem „ICH“ im kulturellen Kontext „Agentivität“, also die gestaltende mentale Instanz zugeschrieben und so konditioniert wird. Die Illusion des objektiv denkenden und handelnden „ICH“ erzeugt auch fixierende egozentrische Meinungsbildung, die in der sozialen Konstruktion zunehmend die Entwicklung eines möglichen Common Sense (Gemeinsinn) erschwert und zur Polarisierung in den Gesellschaften führt.

Die konträre Meinung der Anderen kann uns in der Selbstvergewisserung unseres Weltverständnisses irritieren, uns damit die Orientierung und Kontrolle rauben und uns tief in unseren Affekten treffen. Wir reagieren gegebenenfalls mit Abwehr und Distanzierung. Der Austausch der unterschiedlichen Perspektiven mit Argumenten scheint auf geringem emotionalem Eis gebaut, brüchig und häufig unmöglich. Selbst nahe Beziehungen können zu Bruch gehen, gegenseitiges Cancelling (Kontaktbeendigung) scheint häufig die einzige Lösung der Erträglichkeit. Diese Erfahrung mit Meinungen haben viele von uns in den Krisen der letzten Jahre gemacht. Diese Brüchigkeit des Common Sense machen sich populistische und autokratische politische Kräfte zu nutzen, spalten mit ihren hetzerischen Narrativen, die sie medial einsteuern, die Gemeinschaften.

Unser Geist als Mentales Selbst bildet in Resonanz mit der Umwelt Hypothesen über die Welt und sein Leben in ihr und versucht diese für sein Überleben zu validieren (bestätigen) und zu verifizieren (nachweisen). Was anderes haben wir nicht, um unser Leben auf dem Planeten Erde zu steuern. Das ist viel und funktioniert gegenüber Objekten gut, wenn wir z. B. durch den Wald laufen und genau berechnen können, wo die Bäume stehen und wie wir daran ohne anzustoßen vorbeilaufen können. Allerdings in punkto abstrakte Vorstellungen, wie Klimawandel funktioniert das nicht ganz so genau.

Klimaschutz

Zurück zum Klimawandel und Klimaschutz. Wenn wir uns also mit der Quelle unseres Verhaltens, unserem Mentalen Selbst und seinen konditionalen Inhalten, unserem Mindset beschäftigen und auf die Wirkung des faktischen Wissens über den Klimawandel in dessen allgegenwärtiger medialer Präsenz in unserer Gesellschaft sowie den Appellen und Aktionen für mehr Klimaschutz schauen, können wir feststellen, dass die Verarbeitung der Informationen in unserem Geist bisher nicht zu hinreichend wirksamer Anpassung unseres Verhaltens und unserer Systeme zur Erhaltung unserer planetaren Lebensgrundlagen geführt hat.

Wenn man so will, reagiert unser „Navigationssystem“ nicht angemessen auf die Hinweisschilder „Mind the Gap“. In unserer Alltagssprache sagen wir, wir benötigen mehr Bewusstsein über den Klimawandel, um für mehr Klimaschutz eintreten und sorgen zu können. Über andere sagen wir zuweilen, sie haben nicht genug Bewusstsein, sie sollten bewusster sein etc. Und, wir machen uns etwas bewusst. Wie wir in der Betrachtung unseres Mentalen Selbst (selbstorganisational) und unseres Mindset (konditional) gesehen haben, kann sich aber unser bewusstes Ich nicht aus einer objektiven Perspektive beliebig für „Bewusstsein“ entscheiden und dessen Entwicklung beauftragen. Fatal! Das kann aber ein Hinweis zur Erklärung des „Gap“ sein.

Wenn unser „ICH“ sich nicht einfach aus seinen bewussten Gedanken für mehr Bewusstsein entscheiden kann, weil es Teil der Konstruktion des Mentalen Selbst und damit unbewusster Anteile selbstorganisationaler autokreativer mentaler Aktivität ist, wie können wir dann zu mehr Bewusstsein für Klimaschutz kommen? In dieser Betrachtung unserer mentalen Aktivitäten sind wir darauf angewiesen, dass unser Geist das Wissen über den Klimawandel in relevanter Weise verarbeitet, die nötigen Schlüsse für den Klimaschutz zieht und zur Handlung bringt.

Glücklicherweise gibt es aber nicht nur einen Geist, sondern viele Geister, die nicht hermetisch abgeschlossen agieren, sondern in Resonanz interagieren und ihre Schlüsse sozial konstruktiv in einer Art „Schwarmintelligenz“ informell und formell inspirieren und kreieren. Von diesen komplexen mentalen Vorgängen bekommen wir in unserem bewussten „ICH“ nur Ausschnitte von Gedankenfiguren mit. Dies wäre ein Hinweis, dass es Sinn macht sich in der Gesellschaft aktiv über Lebensthemen auszutauschen, wir verbreitern damit unseren mentalen Konstruktionshorizont.

Klimasoziologin zur Letzten Generation: „Für mich sind das Helden“

https://taz.de/Klimasoziologin-zur-Letzten-Generation/!5931753&s=f%C3%BCr+mich+sind+das+Helden/

Die Letzte Generation sorgt mit ihren Aktionen für Kontroversen. Die Wissenschaftlerin Ilona Otto erklärt, wann der soziale Kipppunkt erreicht ist.

Nun könnte man sagen, mediales Wissen bietet auch Inspiration für unsere geistige Aktivität. Ja, aber in direkter zwischenmenschlicher Interaktion kommt das Element des Dialogs hinzu, das in Feedbackschleifen (Rede-Widerrede) unsere Konstruktionsinhalte kontextualisiert (Erweiterung und Formierung von Zusammenhängen/Beziehungen/Verknüpfungen) und reframt (neue Bedeutungskontexte). Wir haben von konditionalem und reflektivem mentalen Modus gesprochen. Im Konditionalen reproduzieren wir unsere Denkmuster, im Reflektiven prüfen und konstruieren wir unser Denken kreativ. Reflektiv ist aber nicht mit Objektiv gleichzusetzen, vielmehr mit subjektiver Annäherung im hypothetischen Denken, in Validierung (Bestätigung) und Evidenzfindung (Gültigkeit) an die objektive Wirklichkeit.

Der zwischenmenschliche Dialog aktiviert unseren reflektiven mentalen Modus, insbesondere in der Konfrontation mit anderen Einstellungen und Meinungen. Dies erfordert aber eine Kommunikationskultur, die Multiperspektivität und Meinungsvielfalt, wie wir sie in offenen Gesellschaften erleben können, beinhaltet und eine solche auch mental aushält. Andere Meinungen können uns emotional sehr herausfordern, ja, es kann unerträglich sein. Aus diesem Grund neigen wir dazu, uns in unseren sozialen „Bubbles“ aufzuhalten, auszutauschen und uns in unseren Einstellungen und Meinungen zu bestätigen.

Mentale Bildung

Was können wir also für den Klimaschutz und die Anpassung unserer sozialen, ökologischen, ökonomischen und technologischen Systeme sowie unseres individuellen und gesellschaftlichen Verhaltens für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen auf unserem wunderbaren Planeten Erde tun?

Wir können und wir sollten unseren Geist bilden. Denn unser Geist steuert unser Erleben und Tun. In Anbetracht des Geistes als Mentales Selbst, also aller bewusster und unbewusster mentaler Prozesse und Inhalte in selbstorganisationaler und autokreativer Aktivität sowie interaktionaler sozialer Resonanz, müssten wir folgerichtig sagen, unser Geist kann sich selbst bilden. Das tut er auch, mehr oder weniger intensiv und merklich. Er lässt sich dazu auch gerne anregen. Und, wenn wir „ICH“ sagen meinen wir eigentlich „SELBST“. Der sprachliche Unterschied von „ICH“ und „SELBST“ meint den Unterschied von „bewusst“ und „bewusst+unbewusst“.

Was bedeutet dies in der Konsequenz für unsere Einstellungen und Meinungen zum Klimawandel und Klimaschutz? In der Vorstellung des sprachlichen „ICH“ neigen wir dazu unsere Einstellungen und Meinungen als objektiv richtig zu verstehen. Wir sind dann mit unseren Gedanken identifiziert und bestehen auf unsere Meinungen, polarisieren ggf. in der sozialen Meinungsbildung. Wir sind uns dann unserer mentalen Subjektivität, der Konstruktivität, damit Relativität unseres Denkens und etwaiger Abwehrmechanismen nicht bewusst (konditionaler mentaler Modus).

In der Vorstellung des „SELBST“, werden wir vorsichtiger, denn wir sind uns in dieser Ausrichtung unserer Subjektivität, unserer konditionalen Einstellungen, die wir in der Sozialisation erworben haben und damit der Relativität und Hypothese unseres Denkens und unserer Meinungen gewahr (reflektiver mentaler Modus). Subjektivität heißt nicht, dass jede Meinung gleich relativ zur Wirklichkeit ist. Hier spielt faktisches Wissen und die Wissenschaft eine wichtige Rolle. Wenn unser Geist faktisches Wissen tief verarbeitet, reflektiert und adaptiert hat, ist seine Meinung immer noch subjektiv, aber sie hat eine relevantere Nähe (Evidenz/Gültigkeit) zur Wirklichkeit als eine Meinung ohne tiefe Verarbeitung von faktischem Wissen.

Natürlich ist wissenschaftlich erworbenes faktisches Wissen auch mental subjektiv und hypothetisch erzeugt, aber systematisch an die objektive Wirklichkeit angenähert (evident). Und, natürlich gibt es unter Wissenschaftlern unterschiedliche Perspektiven, Entwicklungen und Meinungen, aber in Bezug auf den Klimawandel gibt es eine Vielzahl von Wissenschaftlern, die sich in den Sachstandsberichten des Weltklimarats IPCC auf einen Konsens zum Klimawandel verständigen und damit eine verlässliche Basis für unser faktisches Wissen bieten. Dieses Wissen sagt mehr über die objektive Wirklichkeit aus, als uns unsere Alltagsgedanken suggerieren, die wir in unserem konditionalen Mindset konstruieren.

In der Mentalen Bildung geht es darum, dass unser Geist über sich selbst, seine biologisch basierten Funktionssysteme (Antrieb, Affekt, Emotion, Sozialität, Kognition, Exekution), seine personale Identität und Perspektive, seine mentalen Prozesse und Inhalte aufgeklärt wird rsp. Input bekommt, sich selbst aufzuklären. Es geht um die Anregung zur Selbstwahrnehmung sowie den achtsamen Umgang mit seiner Subjektivität und faktischem Wissen an Stelle von Mutmaßungen und der ungeprüften Übernahme von Behauptungen, ideologischen Narrativen und Desinformation, weil sie unsere vorgefassten Meinungen bestätigen. Unser Geist kann lernen Informationen, Meinungen und konträre Perspektiven zu reflektieren und seinen Horizont daran zu erweitern.

Achtsamkeit

Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Handeln

Übung für unser Mentales Selbst: Richte Deine Aufmerksamkeit nach Innen. Befrage Dich selbst: Was nehme ich jetzt wahr? Was fühle ich jetzt? Was denke ich jetzt? Wie handle ich „HIER und JETZT“?

Die Selbstwahrnehmung unserer mentalen Prozesse im Hier und Jetzt ist der Schlüssel zur Selbstreflexion und zu unserer Achtsamkeit, im Umgang mit unseren planetaren Ressourcen.

Zudem können wir unseren Geist in gegenseitiger Motivation und Inspiration, durch Dialog und Reflexion, in Akzeptanz von Multiperspektivität und der Übung von Achtsamkeit unterstützen, sein Potenzial zu entfalten, Realitätsbezug herzustellen, die nötigen Schlüsse zu ziehen und effektiv zu handeln. Es besteht darüber die Möglichkeit eine mentale Kultur zu entwickeln, die uns unterstützt mit globalen Szenarien wie dem Klimawandel konstruktiv und produktiv umzugehen und zielführende Lösungen zu entwickeln. Dies als Individuum anzustreben erfordert Haltung und Disziplin, da wir dies nicht in unserer Kultur vorfinden und lernen. Mentale Bildung zu entwickeln und in der Breite der Gesellschaft auszurollen und zur Wirkung zu bringen, ist unter den derzeitigen konditionalen Prägungen unseres Geistes schwer vorstellbar, in jedem Fall eine Mammutaufgabe.

Was kann zwischen Philosophie und Meditation entstehen?

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Die Klimakrise ist zur Realität geworden. Und es scheint nicht so, als würden der Menschheit angemessene Reaktionen gelingen. Das hat vor allem mit Trägheit zu tun, sagt der Philosoph Thomas Metzinger. Er schlägt eine neue Bewusstseinskultur vor, um der Krise zu begegnen – oder mit ihr umzugehen.

Es ist an der Stelle erlaubt zu fragen, ob ein solches Szenario reflektiver mentaler Kultur Utopie, Illusion, ein „WÜNSCH DIR WAS“ ist. Ja, ist es! Das hindert aber nicht daran, eine solche als Perspektive und Möglichkeit, die unser Geist bietet, zu beschreiben und anzuregen. In jedem Fall erfordert es breit angelegte Mentale Bildung, bestenfalls in frühen Jahren, bevor die eingetretenen Pfade mentalen Geschehens, die in konditionalen Kulturen über Generationen weitervermittelt werden, ihren vorbestimmten Gang gehen. Unser Geist ist grundsätzlich kreativ und lernfähig (plastizitär), sofern seine Offenheit, die im reflektiven mentalen Modus und im jüngeren Alter größer ist, dies begünstigt. Stark konditional geprägte und alternde Gesellschaften tun sich mit Anpassungen in kurzen Zeitzyklen und ohne disruptive Einwirkung (mentale Verstörung) schwer.

Dennoch! Für den globalen Klimaschutz braucht es zeitnah Visionen und Möglichkeitsräume für Bildung und Kultur, solche können wir Menschen kreieren. Hierzu wäre sicher eine gute Idee, dem Weltklimarat einen Weltmentalrat zur Seite zu stellen, der den globalen geistigen Prozess zur Bewältigung der Klimakrise sozialwissenschaftlich fundiert und unterstützt.

Das Wissen hierzu haben wir!

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Zu Gast im Studio: Brigitte Knopf, Physikerin und Klimawissenschaftlerin. Sie ist seit Februar 2015 Generalsekretärin des „Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change“ und seit dem 1. September 2020 Mitglied im Expertenrat für Klimafragen Ein Gespräch über Brigittes Werdegang, ihr Studium, das Paris-Abkommen, klimaschädliche Subventionen, Wissenschaft vs Politik, die Macht des Expertenrats für Klimafragen, CO2-Preis und CO2-Zertifikate sowie Transparenz der Mercator-Stiftung.